Home | News | Suchen | News-Archiv | Kategorien | Kontakt

Theater aus anderer Perspektive: «Ungnädig», Uraufführung im Freilichttheater auf der Moosegg

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater

Auf der Moosegg wird mit der Uraufführung von «Ungnädig» nicht einfach nur historisch die Geschichte des Bauernkrieges von 1653 nachgestellt. Das Freilichttheater Moosegg geht einfühlsam auf unterschiedliche Charaktere, Haltungen und Konflikte ein, die zum Aufstand führten.

Es regnete den halben Samstagnachmittag. Spielen sie oder spielen sie nicht Freilichttheater auf der Moosegg, im Freien, ungeschützt und auf 1000m Höhe? Sie spielen. Der Weg hinauf ist kurvenreich und eng, die Aussicht wäre bei schönem Wetter atemberaubend. Es regnet immer noch. Der Reporter von Radio Emme befragt die Premierengäste, der Regisseur treibt sie auf die Tribüne, die sich schnell lückenlos füllt. Das Wetter scheint unsicher - spielen sie oder spielen sie nicht? Die Theaterleute geben sich sicher. Sie spielen. Und pünktlich zum Spielbeginn geht der Regen ins Nieseln über, hört zwischendurch auf, setzt vorsichtig wieder ein, hört wieder auf. Der monoton einläutende Glockenklang hat den Wettergott wohl günstig gestimmt.

4000 Seiten Quellenmaterial
Die Bühne ist frei, die Schonung des hochgewachsenen Tannenwaldes steht offen für die über 40 Berufs- und ebenso engagierten Amateurschauspieler in wechselnden Rollen, zwei Pferde und ein Büsi, das rechtzeitig zur Pause über den Platz in die Büsche schleicht. Eine Naturkulisse, wie man sie sich schöner nicht vorstellen kann, die mit wenigen Mitteln Authentizität und Platz vermittelt für die schnell wechselnden Auftritte. Denn Autor Ueli Remund, der immerhin 4000 Seiten Quellenmaterial zur Verfügung hatte, ruft nicht einfach die Geschichte dieses Bauernkrieges in Erinnerung, der vor allem ein Krieg der Herren aus Bern gegen die Bauern aus dem Emmental und dem Entlebuch war.

Das Leben dahinter
Den historischen Fakten in einem chronologischen Abriss folgend konzentriert er sich auf das Leben dahinter, auf das Umfeld, auf die Menschen, ihre Gefühle, die verschiedenen Facetten ihrer Handlungen. Und dies ist auch das Sympathische dieser bis ins Heute nachvollziehbaren, gefühlsbetonten wie unprätentiösen Inszenierung von Regisseur Peter Leu: eine gut verträgliche Theaterkost, nicht aus der Perspektive jener, die Geschichte gemacht haben, sondern aus dem Blickwinkel derer, denen Geschichte widerfahren ist.
Dabei bedient sich Peter Leu mit verschiedenen Perspektiven- und Szenenwechseln unterschiedlicher Stilmittel, vom kommentierenden Chorgesang (Lieder: Dany Nussbaumer) über erläuternde oder zusammenfassende Monologe, Moderationen, kleinen Episoden und kurzen Alltagsmomenten bis zur Interpretation verschiedener Charaktere aus unterschiedlichem sozialen Stand. Ob nun der verbal sich den Herren aus Bern anpassende, eher moderate-vorsichtige Obmann Niklaus Leuenberger, der konsequent kämpferische Ueli Galli, der Kleinbauer, der seine Wut nur mit den Fäusten artikulieren kann. Die Dirne, das tragische junge Liebespaar, der einarmige Kriegsgewinnler und Nischennutzer, Bauern und Städter, Soldaten, Provokateure, Pöbel, Verräter und Schuldeintreiber, Frauen, die konkrete Sorgen um die Ernte haben: «Wir können uns keinen Krieg leisten, wenn Heuzeit ist».

Bis zum tragischen Ende
Rückwirkend erzählt und aufgerollt halb Moritat, halb Bilderbogen, steigern sich die Gewissenskonflikte des Einzelnen und die divergierenden Ansichten der Anführer, die Ziele der Gemässigten, die Haltung der Radikalen, die eskalierenden Konflikte und die harte, uneinsichtige Reaktion der Herrschenden zum tragischen Ende.
Die feuchten Knie sind vergessen, Nebel steigt aus dem Tal. 350 Jahre sind vergangen, doch die Mechanismen von Macht und wirtschaftlichem Druck haben sich bis heute nicht geändert.
Weitere Spieldaten: 14./15/16./17./21/22/23.7./24.7. 25./28./29./30./31.7.1999;    4./5./8./11./12./13./14./18./19./
20./21.8.1999; jeweils 20.15 Uhr. Bei schlechtem Wetter gibt die Nummer 034 409 06 09 am Aufführungstag Auskunft, ob der Anlass stattfindet.

«Ungnädig» 1999 im Freilichttheater auf der Moosegg: Die Hardliners unter den Bauern schlagen die Bedenken und Warnungen ihrer Frauen in den Wind.
«Ungnädig» 1999 im Freilichttheater auf der Moosegg: Die Hardliners unter den Bauern schlagen die Bedenken und Warnungen ihrer Frauen in den Wind.